Startseite > Publikationen > Bietet Heidenheim viele Hürden für Menschen mit Behinderung?
Bibliothek, Behinderten-Aktion, Inklusion

Ordentlich was los war am Freitag auf dem Willy-Brand-Platz vor der Heidenheimer Stadtbibliothek. Bunte Regenschirme und Buttons wurden verteilt, große Banner aufgehängt. „Inklusion von Anfang an“ ist auf einem zu lesen – das Motto des diesjährigen Tags der Gleichstellung, der jährlich am 5. Mai stattfindet. Viele Menschen hatten sich am Freitag versammelt. Ihr Ziel: auf Menschen mit Behinderung aufmerksam machen.

„Im Alltag sind diese Menschen wenig sichtbar“, sagte Winfried Bendig, der Leiter der Nikolauspflege. Vielmehr werde hinter Behinderten oft nur ein Kostenfaktor gesehen. Behinderte und ihre Angehörigen würden sich häufig als „Bittsteller gegenüber den Krankenkassen“ fühlen.

Der Kampf um Unterstützung

Dabei haben sie oft zu kämpfen. Beispielsweise verweigern die Kassen Rollstuhlfahrern mittlerweile die doppelte Versorgung. Sprich: Die Betroffenen haben nicht mehr zwei Rollstühle, etwa einen für Zuhause sowie für die Schule, sondern müssen mit einem Rollstuhl zurecht kommen. Das ist sehr schwierig, weiß Bendig. So können Betroffene nur in speziellen Bussen oder Bussen mit sehr breiten Gängen fahren. Mit dem neuen Bundesteilhabegesetz hofft Bendig hierbei auf eine Verbesserung.

Um für die Gleichstellung behinderter Menschen in der Gesellschaft zu werben, vor allem aber um einmal die Schwächsten der Gesellschaft in den Mittelpunkt zu stellen, organisieren in Heidenheim Einrichtungen bereits seit fünf Jahren um den Tag der Gleichstellung Veranstaltungen. In diesem Jahr erstmalig in größerer Form – neun Organisationen waren dabei: Stiftung Haus Lindenhof, Freunde schaffen Freude, Samariterstiftung, Samocca, Verein gemeinsam leben – gemeinsam lernen, Landkreis Heidenheim, Haus der Familie, HWW und Nikolauspflege.

Die fröhlichen Stimmen vom Willy-Brandt-Platz waren bis ins Rathaus zu hören, sagte Oberbürgermeister Bernhard Ilg, der in einer kurzen Reden allen Beteiligten höchsten Respekt zollte. Und auch für die Stadt sei Inklusion selbstverständlich: „Wir nehmen das Thema Teilhabe sehr ernst“, betonte Ilg. Ganz gleich ob es um Menschen mit Handicap oder auch ältere Menschen gehe. So habe man öffentliche Einrichtungen bereits weitgehend barrierefrei gestaltet.

Bendig kann das so nicht unterschreiben. Vor allem die Bedürfnisse von Sehbehinderten würden noch zu wenig berücksichtigt werden. Im Congress Centrum beispielsweise fehle ein schwarzer Streifen an den Treppen um die Kanten besser sehen zu können.

Doch auch Bendig gibt zu: Barrierefreiheit in der Öffentlichkeit ist keine leichte Aufgabe. Schließlich gibt es die verschiedensten Arten von Handicaps wie Gehörlosigkeit, Geh- oder Sehbehinderungen. Bendig weiß: Zwar macht sich die Stadt Gedanken, doch da ist noch ein weiter Weg zu beschreiten.

Gemeinsam ein Zeichen setzen

Trotz solcher Mängel, beim Aktionstag stand der Spaß im Vordergrund. Gemeinsam sangen die Teilnehmer und führten einen Tanz auf. Mit dabei: Rund 100 Schüler der Eugen-Gaus-Realschule. Im Mittelpunkt stand dabei ein sehbehinderter Rollstuhlfahrer, der im Service des Samocca-Cafés arbeitet. Die Tänzer bewegten sich immer mehr auf ihn zu. Die Idee hinter dem Tanz überträgt Ilg auf die Gesellschaft: „Wir können diejenigen, die es schwerer haben in unsere Mitte nehmen.“

Europaweiter Protesttag

Der Aktionstag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung findet europaweit am 5. Mai, am Europatag, statt. In Deutschland wurde der Aktionstag 1992 von den Interessenvertretungen Selbstbestimmt Leben Deutschland (ISL) ins Leben gerufen. Die Aktion Mensch ruft bundesweit den Tag der Gleichstellung aus.